Interview Personal und Infrastruktur

«Ein gemeinsamer Lernprozess»

Die UZH führt ein flexibleres Arbeitsmodell ein und fördert die Führungs­kompetenzen ihrer Mitarbeitenden. Wie sich die Arbeitskultur an der UZH weiterentwickelt, erklären Christian Schwarzenegger (Prorektor Professuren und wissenschaftliche Information), Stefan Schnyder (Direktor Finanzen und Personal) und François Chapuis (Direktor Immobilien und Betrieb) im Interview.

«Das Ziel sind motivierte und zufriedene
Mitarbeitende.»


Stefan Schnyder, Direktor Finanzen und Personal (bis Ende 2022)

Christian Schwarzenegger, Prorektor Professuren und wissenschaftliche Information

François Chapuis, Direktor Immobilien und Betrieb

Herr Schwarzenegger, was macht eine gute Arbeits­kultur aus?

Christian Schwarzenegger:  Eine gute Arbeits­kultur basiert auf dem Wissen, den Erfahrungen, dem gegen­seitigen Respekt und den Sozial­kompetenzen aller Mitarbeitenden, ausser­dem auf guter Führung und auf geeigneten und attrak­tiven Rahmen­bedingungen, die man von Zeit zu Zeit den sich wandelnden Bedürf­nissen anpassen muss. Wir verstehen die Weiter­entwicklung der Arbeits­kultur an der UZH als einen gemein­samen Lern­prozess. Die Einführung des neuen Arbeits­modells war ein Schritt in diesem Prozess, weitere Schritte werden folgen.

Wie geht die UZH dabei vor, Herr Schnyder?

Stefan Schnyder:  Die Pandemie hat viele Entwicklungen enorm beschleunigt. Das birgt Chancen, aber auch das Risiko, dass wir uns als Organisation über­fordern. Wir wollen diese Dynamik in die Bahnen einer nach­haltigen Entwicklung lenken, die wir Schritt für Schritt immer wieder selbst­kritisch überprüfen. Zu diesem Zweck haben wir im Sommer 2022 eine Mitarbeitenden­befragung speziell zum Thema mobiles Arbeiten durch­geführt. Dank dieser Befragung wissen wir, was zum betreffenden Zeit­punkt die Erfahrungen und Erwartungen im Hinblick auf das mobile Arbeit waren. Um die Entwicklung beobachten und reflektieren zu können, wollen wir die Mitarbeitenden-Befragung alle zwei bis drei Jahre wieder­holen.

«Die Befragung der Mitarbeitenden zeigt, wie wichtig die richtige Balance von Präsenz und mobilem Arbeiten ist.»

Stefan Schnyder

Direktor Finanzen und Personal

Welche Schlüsse ziehen Sie aus den Ergebnissen?

Schnyder:  Es ist zentral, die Präsenz vor Ort und mobiles Arbeiten richtig aus­zu­balancieren. Die UZH-Mitarbeitenden schätzen offen­kundig die Möglichkeit, flexibel arbeiten zu können. Viele würden sogar eine noch weiter­gehende Lösung begrüssen, sofern Vor­gesetzte und Betrieb dies zulassen. Gleich­zeitig zeigt die Befragung aber auch deutlich: Für das Zugehörig­keits­gefühl ist physische Präsenz grund­legend, und Wert­schätzung erfahren die Mitarbeitenden vor allem, wenn sie vor Ort sind. Wir tun also gut daran, genügend Zeit vor Ort präsent zu sein – und zumindest einen Teil dieser Zeit bewusst dafür einzusetzen, die Zusammen­arbeit und den Zusammen­halt im Team zu pflegen.

Schwarzenegger: Der wichtigste Grund für die Mitarbeitenden, vor Ort zu arbeiten, ist gemäss der Befragung die soziale Interaktion. Man kann auch aus der Ferne mit digitalen Tools kommunizieren, aber ein echtes, lebendiges Gemein­schafts­gefühl stellt sich nur vor Ort ein. Damit die soziale Interaktion vor Ort über­haupt statt­finden kann, braucht es Kopräsenz, also die gleich­zeitige Anwesenheit von Mitarbeitenden. Kopräsenz ist grund­legend für den Zusammen­halt im Team, für den spontanen Aus­tausch und für ein inspirierendes Campus-Leben. Das 60-40-Modell fördert die Kopräsenz vor Ort und kommt damit dem Bedürfnis nach Interaktion entgegen.

Laut der Befragung stehen Führungs­verant­wortliche dem neuen Arbeits­modell etwas skeptischer gegen­über als die anderen Mitarbeitenden. Warum?

Schnyder:  Für Führungs­verantwortliche bedeutet die Flexibilisierung der Arbeit eine Mehr­belastung. Es ist schwieriger und erfordert mehr koordinativen Auf­wand, ein teil­weise mobil arbeitendes Team zu führen als eines, dessen Mitglieder ständig vor Ort sind. Wenn sich Team­mitglieder seltener direkt begegnen, müssen die Vorgesetzten mit gezielten Aus­gleichs­mass­nahmen für einen guten Zusammen­halt im Team sorgen. Die richtige Balance zu finden zwischen Präsenz­zeiten und mobiler Arbeit ist nicht einfach – aber wichtig für die erfolgreiche Umsetzung eines flexiblen Arbeits­modells im Alltag. Um die Führungs­verant­wort­lichen dabei zu unter­stützen, hat die Abteilung Personal ein Beratungs- und Coaching-Angebot etabliert.

Zu den Führungs­verant­wort­lichen der UZH gehören auch die Professorinnen und Professoren. Welche spezifischen Heraus­forderungen stellen sich hier?

Schwarzenegger:  Bei den Professorinnen und Professoren zeigt sich die ganze Vielfalt der UZH. Die Präferenzen und Heraus­forderungen sind je nach Disziplin sehr unter­schiedlich. In den Natur­wissen­schaften und in der Medizin wird anders gearbeitet als zum Beispiel in den Geistes­wissen­schaften. Tätigkeiten in Labor und Klinik folgen anderen Regeln und Not­wendig­keiten als die Arbeit in Studier­zimmern und Bibliotheken. Wir haben deshalb ein Pilot­projekt lanciert, in dem interessierte Professorinnen und Professoren aus allen Fakultäten Ideen entwickeln, wie sich eine lebendige Campus-Kultur mit digitalen Technologien und mobilen Arbeits­formen verbinden lässt.

Wie muss man sich das Pilot­projekt vorstellen?

Schwarzenegger:  Es geht darum, gemeinsam und von­einander zu lernen, welche inno­vativen Formen des akademischen Aus­tauschs sich für welche Arbeiten am besten eignen. Geleitet werden die am Pilot­projekt teil­nehmenden Professorinnen und Professoren von Jochen Menges, Professor für Human Resource Management and Leadership am Institut für Betriebs­wirtschafts­lehre. Insbesondere der direkte Austausch zwischen Professorenschaft, Forschenden und Studierenden soll gefördert werden. Denn wir wissen, dass die Mittelbau-Angehörigen und die Studierenden sehr an einem lebendigen Aus­tausch interessiert sind. Am Ende soll die gesamte Universität von den Erfahrungen und Erkennt­nissen zu mobilem Arbeiten profitieren.

Herr Chapuis, was bedeutet der Wandel der Arbeits­kultur für das universitäre Raum­angebot?

François Chapuis:  Wir brauchen länger­fristig vielfältiger nutz­bare Räume. Die Pandemie hat uns für diesen Bedarf sensibilisiert. Was die Präsenz vor Ort so wichtig macht und was wir im Home-Office so schmerzlich vermisst haben, ist soziale Interaktion. Dafür braucht es geeignete Räume. Anderer­seits kam in der Befragung deutlich zum Ausdruck, dass viele Mitarbeitende sich einen Ort wünschen, an dem sie in Ruhe und konzentriert arbeiten können. Wir werden beim Bau und beim Umbau von Gebäuden und beim Organisieren und Ein­richten diesen Anliegen Rechnung tragen.

«Wir brauchen längerfristig vielfältiger nutzbare Räume.»

François Chapuis

Direktor Immobilien und Betrieb

In welche Richtung geht die Entwicklung?

Chapuis:  In Richtung einer stärkeren Differen­zierung des Raum­angebotes. Bisher haben wir primär unseren jeweiligen Schreib­tisch als Home-Base betrachtet. Zukünftig werden wir vielleicht auch Orte als unsere Home-Base betrachten, an denen wir uns austauschen und vernetzen. Das geplante FORUM UZH trägt diesen Gedanken schon im Namen.

Hat die grössere Flexibilität bei der Wahl des Arbeits­ortes dazu geführt, dass wir der Präsenz­arbeit mehr Auf­merksam­keit zuwenden als früher?

Chapuis:  Viele Mitarbeitende sagen mir, dass sie heute ihre Zeit, die sie vor Ort verbringen, bewusster strukturieren als zuvor. Ich finde das eine gute Entwicklung. Die Präsenz­arbeit der meisten Mitarbeitenden beinhaltet sehr verschiedene Tätigkeits­formen. Grob kann man unter­scheiden zwischen konzen­trierter Einzel­arbeit, Team­arbeit, Routine­tätigkeit, vertraulicher Arbeit und Erholungs­phasen. Im Idealfall könnten alle UZH-Mitarbeitenden für jede der genannten Tätigkeits­kategorien eine passende räumliche Umgebung wählen, also zum Beispiel störungs­freie Bereiche zum stillen Arbeiten und offenere Bereiche für den Aus­tausch. An dieser Idee wollen wir uns auf lange Sicht bei der Planung neuer Räume an der UZH orientieren. Im Gebäude UZI 5, im Functional Genomics Center und im West­park ist dies teil­weise bereits geschehen. Angesichts der Grösse und Vielfalt der UZH wird dieser Prozess aber viele Jahre in Anspruch nehmen. Wir werden dabei mit der nötigen Umsicht vorgehen und uns im Aus­tausch mit den betroffenen Mitarbeitenden an die jeweils passende Lösung heran­tasten.

Sie haben die Weiter­entwick­lung der Arbeits­kultur an der UZH mehr­fach als einen gemein­samen Lern­prozess bezeichnet. Was ist das Ziel?

Schwarzenegger:  Das Ziel sind motivierte und zufriedene Mitarbeitende, die an der UZH ihr Bestes geben und ihre Fähig­keiten weiter­entwickeln können.

Schnyder: Die Voraussetzung dafür sind attraktive, zeitgemässe Arbeits­bedingungen sowie eine zeit­gemässe bauliche und technische Infrastruktur mit Räumen, in denen sich das Campus-Leben in all seinen Facetten entfalten kann. Und nicht zuletzt braucht es kompetente Führungs­personen auf allen Ebenen, die Ent­wick­lungs­perspektiven vorgeben, die Teams zusammen­halten und Wert­schätzung vermitteln.

«Die UZH investiert nachhaltig in die eigene Zukunftsfähigkeit –
durch Befähigung ihrer Mitarbeitenden und Professionalisierung der Führung.»

Christian Schwarzenegger

Prorektor Professuren und wissenschaftliche Information

Wie fördert die UZH die Führungs­kompetenzen der Leitungs­personen?

Schwarzenegger:  Die UZH hat in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Weiter­bildungs-und Beratungs­angeboten für Führungs­kräfte aller Stufen eingeführt, die rege nach­gefragt werden. Zum Beispiel das «UZH Leadership Development Program» für Führungsverantwortliche der UZH, den «UZH Führungs­dialog», den «Onboarding Day für neu­berufene Professorinnen und Professoren» oder das CAS-Programm «Leadership und Governance an Hoch­schulen». Als weiteren Schritt zur Weiter­entwick­lung der Führungs­kultur an der UZH haben wir 2022 die «UZH Leadership and Governance Academy» ins Leben gerufen.

Was sind die Aufgaben der UZH Leader­ship and Governance Academy?

Schwarzenegger:  Die Academy bündelt und koordiniert die Weiter­bildungs- und Beratungs­angebote der UZH für universitäre Führungs­kräfte, sie vernetzt die beteiligten Akteure und regt Neuerungen an. So hat sie zum Beispiel bereits ein neues Ausbildungs­programm für neu­berufene Professorinnen und Professoren zum Thema Führung in die Wege geleitet. Sie stützt sich dabei auf die Strategischen Grund­sätze der UZH und setzt die bestehenden Führungs­grund­sätze der UZH um. Mit ihrem versammelten Know-how soll die Academy zur Entwicklung eines gemein­samen, hoch­schul­spezifischen Führungs­verständ­nisses an der UZH beitragen.

Wie stark wird bei der Berufung von Professorinnen und Professoren auf Führungs­kompetenzen geachtet?

Schwarzenegger:  Entscheidungen zur Besetzung von Lehr­stühlen gehören zu den wichtigsten und schwierigsten, die eine Universität zu treffen hat. Es liegt deshalb in unserer Verantwortung, Persönlich­keiten einzustellen, die den viel­fältigen Anforderungen ihrer Stelle gerecht werden. Fach­qualifikationen sind und bleiben natürlich das Haupt­kriterium. Daneben achten wir aber auch konsequent auf Sozial- und Führungs­kompetenzen. Die meisten Fakultäten führen seit einigen Jahren als Ergänzung zu den eigentlichen Berufungs­gesprächen strukturierte Interviews zum Thema Führung durch.

Im Zuge der Projekte «Stärkung der Führung UZH» und «Governance 2020+» hat die UZH in den letzten Jahren ihre Führungs­aufgaben neu geordnet und breiter abgestützt. In welchem Zusammen­hang steht dazu die Förderung von Führungs­kompetenzen?

Schwarzenegger:  Es sind zwei Seiten derselben Medaille: Zur Führungs­qualität gehören gute Führungs­strukturen genauso wie kompetente Führungs­personen. Die UZH baut auf ein hohes Mass an Autonomie und Eigen­verant­wortung ihrer Angehörigen, entsprechend wichtig ist es, Führungs­kompetenzen zu pflegen und zu fördern. Die UZH investiert nach­haltig in die eigene Zukunfts­fähigkeit – durch Befähigung ihrer Mitarbeitenden und Professiona­lisierung der Führung.

Befragung zum Mobilen Arbeiten

Die Mitarbeitendenbefragung «Future of Work @ UZH: Mobiles Arbeiten» zum neuen Arbeitsmodell der UZH fand im Juni und Juli 2022 statt, unabhängig von der thematisch breiter gefassten UZH-Mitarbeitendenbefragung vom Mai 2022. Durch­geführt wurde sie vom «UZH Center for Leadership in the Future of Work» unter der Leitung von UZH-Professor Jochen Menges.